Über die Stadtgrenzen hinaus bekannt wurde das von Hofbaurat Fritze erbaute Haus, in dem der Überlieferung nach die Thüringer Klöße erfunden wurden, durch das „Lied vom Hütes", aus der Feder des berühmten Dichters Rudolf Baumbach. Es beschreibt wie die Fruchtbarkeitsgöttin Holle die Kartoffel und mit ihr das Geheimnis der Herstellung des Kartoffelkloßes nach Meiningen brachte und dem damaligen Bürgermeister das Rezept mit den Worten übergab: "Hier hast Du Rezeptum, hüte es!"
Große, möglichst mehlige Kartoffeln schälen, 1/3 kochen und zu einem dünnen, klaren Brei verrühren, 2/3 reiben, gut auspressen und die Stärke absetzen lassen. Die gut ausgepresste und zerkleinerte „Reibe"" dann mit der eklärten Stärke und etwas Salz vermischen, mit dem kochenden Brei überbrühen (am besten zweimal) und sofort mit einem Holzquirl oder Stampfer verrühren, bis sich die Masse von der Schüssel löst. Daraus mit den Händen, die öfter im kalten Wasser abgespült werden müssen, Klöße formen und diese in einen Topf mit sehr heißem aber nicht mehr kochendem Wasser geben. Zur Verfeinerung gibt man dabei in die Mitte jeden Hütes
einige geröstete Semmelbröckchen. Die Klöße sind fertig, wenn sie „aufsteigen". Ca. 3 mittelgroße Kartoffeln ergeben dabei einen „Hütes".
Ich selbst verehre geradezu diese runden Bälle aus Kartoffeln. Schon allein die Vielzahl der Bezeichnungen und Zubereitungsvariationen zeigen dieses innige Verhältnis. Die Klöße passen aber einfach auch zu allem: Ente, Wildschwein, Gans Hirsch, Hammel, Schwein, Rind oder Kaninchen. Auch beim Gemüse die Klassiker, Preiselbeer-Rotkohl oder Speck-Rosenkohl, meine Favoriten, oder probieren Sie ganz einfach mal, Limonen-Fenchel mit frisch geriebenem Ingwer dünsten, dazu Thüringer Klöße etwas kleiner abdrehen, und in gehackten Haselnüssen, Semmelbrösel und frischer Vanille wälzen, in heißem Butterschmalz leicht ausbacken. Vorher einen frischen Rehrücken 48 Std. in Aceto-Balsamico-Portwein-Reduktion marinieren und dann in einem Lavendel-Salbei-Öl kurz aber scharf anbraten. Dies ist für mich eine Offenbarung und entzündet wahre Gaumen-Freuden!
Wichtig ist aber auch immer eine gute Soße dazu, die ruhig auch ein bisschen fettig sein kann, denn das macht den Klößen gar nichts, fast im Gegenteil. Die Klöße bestehen eigentlich nur aus rohen Kartoffeln. Der Einsatz von Milch oder Kartoffelbrei ist nicht unüblich aber fast schon üppig. Wichtig ist in jedem Fall, dass die geriebenen rohen Kartoffeln kräftig ausgepresst werden. In einigen Gegenden wird die sich im Kartoffelwasser absetzende Kartoffelstärke zum Teil wieder zur Masse getan, aber andere mögen die Klöße weicher. Ich bin zum Beispiel der Meinung, die Klöße dürfen nicht kochen, maximal ziehen, andere bevorzugen leise sprudelndes Salzwasser. Die Masse jedenfalls muss von einer Konsistenz sein, dass sie sich gerade noch so zu Kullern formen lässt. Derartige Klöße heil ins Wasser zu bekommen grenzt an Kunst. Noch ein Tipp: Beim Reiben die Masse in warmes Wasser gleiten lassen, dadurch bleibt sie hell und locker, und beim Kochen dürfen sich die Klöße nicht drängeln, jeder braucht für sich genügend Platz, um wohlgeformt und wohlschmeckend sein heißes Salzwasserbad zu verlassen.
***
Jens Höse war Küchenchef im Hotel-Restaurant Hubertushof in Bad Berka
Fotos: Bildanleitung zur Zubereitung von Thüringer Klößen von Claudia Grabalowski