Thüringen-Lese

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Mitgelaufen

Christoph Werner

Das Buch „Mitgelaufen“ ist nicht wie andere Bücher über das Leben in der DDR. Hier liegt nicht der Fokus auf Mangelwirtschaft, einer allmächtigen Partei und der Staatssicherheit. Der Autor ist auch kein Opfer des Regimes, dem schreckliches widerfahren ist. Er gehört zu der großen Masse derjenigen, die sich als Rädchen im Mechanismus der DDR-Diktatur gedreht haben. Christoph Werner bricht mit seinem Buch das Schweigen der Mitläufer. Er stellt sich seiner eigenen Vergangenheit und dem Wissen, dass er selbst durch seine Zurückhaltung oder auch lautstarke Zustimmung das alte System lange am Leben erhalten hat. Jahrzehnte nach dem Mauerfall eröffnet er damit vor allem der heranwachsenden Generation, welche die DDR nur noch vom Hörensagen kennt, einen ganz neuen Blickwinkel auf ihre Geschichte.

Ohne Anklage und ohne den Versuch der Rechtfertigung wagt er eine kritische Betrachtung aus dem eigenen Erleben und gewährt Einblicke in eine vergangene Zeit.
Möge der Leser nicht mit dem Zeigefinger auf ihn zeigen, sondern sich fragen, wie oft er heute selbst dem Mainstream folgt oder mutig zu sich selbst und seiner Meinung steht.

Das Wirken des Bonifatius in Thüringen

Das Wirken des Bonifatius in Thüringen

Hermann Multhaupt

Bonifatius war der „Apostel der Deutschen“. Ihm verdanken wir wesentlich die Ausbreitung der christlichen Botschaft in unserer Heimat. Ursprünglich hieß er Winfried und stammte aus England, aus Credition im Königreich Wessex. Sein Geburtsjahr wird mit 672/673 angegeben. Durch Wanderprediger erfuhr er vom Leben Jesu und seiner Botschaft. Gegen den Widerstand seines Vaters trat er in ein Kloster ein, wurde mit 30 Jahren zum Priester geweiht und mit 40 Jahren  zum Abt gewählt. Aber es hielt ihn nicht auf der Insel, er wollte den germanischen Völkern das Evangelium predigen. Bayern, Hessen Thüringen, und Friesland waren die Schwerpunkte seiner Arbeit,  wo er unermüdlich tätig war.

Im Laufe der Jahrhunderte haben sich zahlreiche Geschichten und Legenden um das Leben des hl. Bonifatius gebildet. Als Bonifatius in Thüringen unterwegs war, um die Heiden zu taufen, geriet er manchmal auch in dünn besiedelte Gegenden. Dort, wo später die Orte Geraberg, Arlesberg und Elgersburg entstanden, befanden sich einst dichte Wälder und zerklüftete Felsen, durch die sich zahlreiche Bäche ihren Weg suchten. Im Tal der Weißen Gera beugten sich viele Menschen unter das Wasser der Taufe, weshalb ein Flurstück in dieser Landschaft noch heute Bonifatiusbad genannt wird.

Bonifatius durchwanderte auf seinen Missionsreisen alle Landschaften Thüringens. In der Nähe des früheren Schlosses Markgrafenstein, wo später das Schloss Altenstein entstand, sah man noch im 17. Jahrhundert an einem Felsen eine runde hohe Mauer ohne Dach. Das waren die Ruinen einer Kapelle, die im Volksmund „Bonifatiusturm“ genannt wurde. Denn hier soll der Heilige längere Zeit geblieben sein und gewirkt haben. Er baute hier eine Klause, in der er wie ein Eremit lebte. Vom Felsen aus aber unterwies er die Menschen in der christlichen Lehre. Als „Bonifatiusfelsen“ blieb die Stätte im Gedächtnis der Christen verhaftet.

Eines Tages erblickte Bonifatius inmitten der unzugänglichen Gegend einen Berg, zu dem ein den Göttern geweihter heiliger Hain führte. Um dem neuen Glauben ein sichtbares Zeichen zu setzen, errichtete Bonifatius auf diesem Berg die erste christliche Kirche des Landes und weihte sie dem hl. Johannes dem Täufer. Bonifatius hatte großen Zulauf. Viele Menschen, die sich taufen ließen, wollten in seiner Nähe bleiben, siedelten sich hier an und begründeten so das Dorf Altenbergen.

Von dieser Kirche aus predigte der begeisterte Missionar den neuen Glauben. Da immer mehr Menschen ihm zuströmten und das Gotteshaus zu klein wurde, verkündete er im Freien das Evangelium. Doch die zahlreichen Krähen und Dohlen störten ihn durch ihr Geschrei. Da bat der Heilige eines Tages den himmlischen Vater, er möge die Vögel in alle Himmelsrichtungen zerstreuen. Da erhoben sich die Vögel in den Bäumen  und flogen davon. Solange Bonifatius hier predigte und die Kirche bestand, kehrten sie nicht zurück. – Diese Geschichte hat auch der Dichter Ludwig Bechstein erzählt.

Unweit des kleinen Städtchens Remda, nicht weit von der Straße, die von dort das schöne Rinnetal hinunter nach Rudolstadt führt, liegt zwischen fruchtbaren Bergen, fast ein wenig versteckt, das Dorf Heilsberg. Südwestlich dieses Ortes erhob sich vor vielen Jahrhunderten eine Burg, die Hochburg oder Hugoburg genannt wurde. Sie ist heute nicht mehr erhalten. Bonifatius kam in die Gegend von Treppendorf und wollte von dort in das Tal der Saale hinabsteigen. Seine Begleiter und er hatten schon eine ganze Weile keinen Menschen mehr gesehen und sie waren durstig. Doch in dem dichten Fichten- und Wacholdergesträuch fand sich nirgends eine Quelle. An den Geräuschen, die aus dem Wald drangen, konnte man schließen, dass hier Holzfäller am Werke waren, und der heilige Mann trug seinen Männern auf, bei ihnen um etwas Wasser zu bitten. Doch die Begleiter murrten und wollten nicht gehen. Schließlich machten sie sich auf den Weg und kamen mit der Botschaft zurück, sie müssten noch eine Stunde marschieren, um an einen Bach zu kommen. Einer der Holzfäller hatte den Männern jedoch einen Trunk Wasser mitgegeben.

Bonifatius richtete den Blick zum Himmel und betete. Dann goss er das Wasser zum Entsetzen seiner Begleitung auf den Boden. Doch sogleich sprudelte eine Quelle aus der Erde und alle konnten ihren Durst löschen. Der Holzknecht eilte voller Verwunderung zu seinen Leuten, um von dem Wunder zu berichten, und alsbald kam die ganze Bevölkerung aus dem Tal zu Bonifatius. Er predigte ihnen den dreieinigen Gott, und viele ließen sich an der Stelle taufen, wo die Quelle ihnen das Taufwasser spendete.

Einmal kam Bonifatius mit seinen Gefährten in das Tal unter dem Viehberg  Sein Pferd hatte einen wunden Fuß und scharrte mit ihm auf dem Boden. Alsbald tat sich eine Quelle auf, deren Wasser den Huf des Pferdes augenblicklich heilte. Nun kamen auch die kranken und siechen Menschen von nah und fern, um das wundersame Wasser zu trinken. Bonifatius ergriff die Gelegenheit, ihnen von Gott und den Heiligen zu predigen, und viele ließen sich taufen. So entstand an dieser Stelle das Dorf Heilsberg. Bonifatius baute eine Kirche, die noch heute seinen Namen trägt. Die Gemeinde nahm sein Bildnis in ihr Siegel auf. Die Bauern von Heilsberg waren in Erfurt lange Zeit zollfrei. An einer Kirchentür in Heilsberg soll das Hufeisen angenagelt gewesen sein, das das Pferd des Bonifatius an der Quelle verloren hatte.

An der Kirchenwand in Heilsberg befand sich vor langer Zeit eine Steinschrift, die schon sehr alt war. Niemand konnte sie entziffern, so sehr man sich auch darum bemühte. Man erinnerte  sich, dass einst König Ludwig, der Sohn Karls des Großen, hier geweilt, gebetet und angeboten hatte, die kleine Kirche zu einem größeren Gotteshaus zu erweitern. Zum Andenken habe er jene Urkunde in Stein hauen und dort anbringen lassen. Die Steinschrift soll bis 1816 an ihrem Platz gewesen sein. Darauf sei sie nach Weimar gebracht und in der großherzoglichen Bibliothek aufbewahrt worden sein. Ein berühmter Gelehrter in Wien, der Arabisch, Türkisch und Persisch verstand und sich in der orientalischen Literatur auskannte, erhielt den Auftrag, sie zu entziffern, doch vergeblich. Das steinerne Rätsel wartet noch immer auf seine Entschlüsselung.

Der hl. Bonifatius kam in das Land an der Unstrut. Dort baute er manche Kirche und bekehrte die Menschen zum Christentum. In jenen Tagen fielen die Hunnen ins Land, es kam zu grausamen Gemetzeln, sodass sich der Fluss rot färbte von Blut. Darauf ließ sich viel Volk taufen und bekannte sich zur Lehre Christi. Einige aber blieben widerspenstig und verweigerten sich, denn sie wollten wirkliches Brot und nicht das Brot des Lebens und echtes Gold und nicht das Gold der Frohen Botschaft. Weil Bonifatius ihnen diese Schätze nicht geben wollte, so bewarfen sie ihn mit Steinen. Darauf wurde der fromme Mann zornig und verwünschte alles Gold und Geld der Thüringer zu Stein. Noch heute findet man an der Sachsenburg, an der Arnsburg und auf der Hainleite auf dem Gipfel, der Bonifatiusberg genannt wird, kleine rundliche Steine, die Bonifatiuspfennige genannt werden.

In der Gegend von Heringen am rechten Ufer der Werra erzählte man sich noch vor nicht allzu langer Zeit, man habe den hl. Bonifatius auf einem Esel über die Felder reiten und sie  segnen sehen. Dann aber hatten sich einige Bauern geweigert, den jährlichen Opferpfennig an das Kloster Fulda zu entrichten. Einige Leute beobachteten, wie der Heilige an den Feldern dieser Bauern sein Tier anhielt, zornig um sich blickte und dann weiter ritt, ohne die Felder zu segnen. In jenem Jahr kamen große Sturm- und Hagelschäden über das Land und die Ernte war gering. Die Frucht auf den Feldern, deren Landwirte den Opferpfennig gezahlt hatten, aber gedieh und brachte reiche Ernte. Die Bauern achteten fortan darauf, den Zahlungstermin nicht zu versäumen. Ähnliches geschah, als man dem Bischof von Fulda die Steuer verweigerte, und man schloss daraus, dass der hl. Bonifatius auch die Verpflichtungen  für seinen Nachfolger auf dem Bischofsstuhl verteidigen wolle.

Auch in Schweina, so wird, berichtet, habe sich der hl. Bonifatius des Öfteren mit dem Gewand des Priesters bekleidet am Hohenstein gezeigt. Er habe auf einem großen Stein gesessen und in einem dicken Buch gelesen. Die Leute wagten nicht, sich ihm zu nähern oder ihm über die Schultern zu blicken.

Unter der sorbischen Bevölkerung ging der Glaube um, der hl. Bonifatius schreite in den zwölf Nächten dem „Wilden Heer“ als Warner voraus, um Menschen, die noch unterwegs waren, vor den Unholden zu bewahren.

Als Bonifatius die Donareiche bei Geismar gefällt und im Eichsfeld das Bild des Götzen Suffo zerstört hatte, was ihm sehr verübelt wurde, als er die Verehrung des Biel, der Ostara, Lahra und Jecha ausgerottet hatte, kam er in die Gegend von Ohra und predigte auch hier das Christentum. Damals herrschten zwei reiche Dynastien im Thüringer Land, Haug oder Hugo, ein Graf von Käfernburg, und ein Ritter Albolt, die zu den ersten Neubekehrten gehörten. Sie schenkten Bonifatius einen Teil ihres Landes. So blieb Bonifatius eine Zeitlang hier, lehrte und bekehrte viele Menschen und taufte sie. Als er eines Nachts am Ufer der Ohra übernachtete, gewahrte er plötzlich eine überirdische Helle: Der Himmel öffnete sich und ein wunderbarer Gnadenstrom floss herab. In diesem Glanz erschien der Erzengel Michael, ermutigte ihn zu seinem Werk und stärkte den Glauben an seine Sendung. Am Tag dankte Bonifatius Gott für dieses Gesicht und sprach ein Dankgebet.

Eines Tages bat Bonifatius seinen Diener, den Tisch für das Mahl zu richten. Doch der Diener klagte kleinmütig, es sei keine Speise mehr da und er wisse nicht, woher er einen Vorrat nehmen solle. Da antwortete der Heilige ihm: Meinst du nicht, dass der, der in der Wüste ein ganzes Volk vierzig Jahre lang mit dem Brot des Himmels speiste, nicht auch dir und mir zu essen geben wird? Decke getrost den Tisch. Kaum hatte Bonifatius so gesprochen und der Diener den Tisch gedeckt, da schwebte ein Adler heran, der in seinem Schnabel einen ansehnlichen Fisch trug. Er ließ den Fisch auf den Tisch fallen. Da dankten beide für die Gabe Gottes, bereiteten den Fisch zu und ließen es sich schmecken.

Als Bonifatius wieder einmal mit leerem Magen unter einer Linde nahe der Ohra predigte und den Gottesdienst mit dem Segen abschloss, brachte ein Rabe einen Käse herbei. Am Ort dieses Geschehens errichtete Erzbischof Lullus eine den Apostelfürsten Petrus und Paulus geweihte Kirche.

Manchmal war die Menge, die Bonifatius zuhörte, so groß, dass die Kirchen die Gläubigen nicht fassen konnten. So mussten die Gottesdienste im Freien stattfinden. Doch einmal konnten die Zuhörer den Prediger nicht verstehen, weil unzählige Raben, Krähen und Dohlen das Heiligtum umflatterten und dabei großen Lärm machten. Bonifatius hob die Hände und bat Gott, er möge die Vogelschwärme in alle Winde zerstreuen. Da flogen die Vögel davon und waren nie wieder gesehen, solange das Gotteshaus Bestand hatte.

Im Pfarrgarten von Großvargula standen einst alte Ulmen. Man hat sie nur ungern gefällt, denn sie erinnerten an den Missionar Bonifatius. Karl der Große hatte hier an der Stelle einer heidnischen Opferstätte ein Gotteshaus erbauen lassen. Die Weihe sollte Bonifatius vornehmen. Es kamen sehr viele Leute zur Feier, doch die meisten hatte die Neugierde hergeführt. Manche Menschen verfolgten den heiligen Mann mit offenkundigem Hass. Bevor Bonifatius den Kirchenraum betrat, stieß er seinen Wanderstab in die Erde. Dann vollzog er die feierliche Weihe. Als er das Gotteshaus verließ, fand er seinen Stab begrünt. Als die Menge das sah, ließen sich viele taufen.

Bonifatius starb am 5. Juni 754 nahe Dokkum in Friesland. Viele Menschen hatten ihm nicht verziehen, dass er ihre ursprünglichen Heiligtümer zerstört hatte. Eine bewaffnete Horde erschlug ihn. Bonifatius versuchte den Schwertschlag mit dem Evangelienbuch abzuwenden. So wird er heute auch vielfach dargestellt. Sein Grab befindet sich im Dom zu Fulda.

 

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Bildquellen:

Vorschaubild: Cornelis Bloemaert - S. Bonifacius, Kupferstich nach dem Gemälde von Abraham Bloemaert, etwa 1630, Urheber: Cornelis Bloemaert II via Wikimedia Commons Gemeinfrei.

St Boniface - Baptising-Martyrdom - Sacramentary of Fulda, Anfang 11. Jh., Urheber: unbekannt via Wikimedia Commons Gemeinfrei.

Bonifatius donarseiche, etwa 1900, Farblithographie nach einem Gemälde von Heinrich Maria von Hess, Urheber: Reinhard Barth: Mittelalter via Wikimedia Commons Gemeinfrei.

 

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