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N wie Ninive
Erzählungen

In metaphorisch einprägsamen Stil  werden verschiedene Schicksale erzählt, die ihren Haupthelden alles abverlangen, sie an ihre Grenzen bringen. Bei der Frage nach der Schuld, nach Gerechtigkeit und Gott verstricken sich Zukunft und Vergangenheit. 

"Er hat einen eigenen Ton, ein bisschen mecklenburgisch erdenschwer, aber dann auch wieder sehr poetisch"

Frankfurter Allgemeine 07.10.2014 Nr. 232 S. 10 

Carl Joseph Meyer

Carl Joseph Meyer

Thomas Handschel

Verleger und Gründer des Bibliographischen Instituts in Hildburghausen

Als junger Mann wollte er Forschungsreisen in unbekannte Länder unternehmen und er plante, nach Amerika auszuwandern. Tatsächlich aber blieb Carl Joseph Meyer (1796-1856) - abgesehen von einer vierjährigen Ausbildung zum Kaufmann in Frankfurt am Main und einem zweieinhalbjährigen Aufenthalt in London - in Thüringen (Lebens- und Arbeitsstationen: Gotha, Weilar/Rhön und Hildburghausen). Von hier aus hat er dann mit seinen Büchern einer großen Leserschar die Welt erschlossen, zunächst v. a. mit preiswerten Klassikerausgaben und theologischen Schriften, dann aber auch mit länderkundlichen und lexikografischen Werken sowie politischer Publizistik. „Bildung macht frei" war sein - unverkennbar vom Geist der Aufklärung getragenes - verlegerisches Credo, dem er zeitlebens treu blieb. Dahinter stand seine erklärte Absicht, durch die Verbreitung von Büchern in Massenauflagen und zu geringen Preisen dem ganzen Volk einen Zugang zum Wissen zu ebnen.

Hintergründe des Verlagsumzugs von Gotha nach Hildburghausen

1828 wurde zum Schlüsseljahr im Leben Meyers und auch ein wichtiger Meilenstein für die wirtschaftlich-kulturelle Entwicklung der südthüringischen Kleinstadt Hildburghausen. Damals verlegte Meyer sein zwei Jahre zuvor in Gotha gegründetes „Bibliographisches Institut" hierher. Dieses sollte nicht nur sein einziges dauerhaft erfolgreiches Projekt bleiben, sondern auch bald zu einem der bedeutendsten deutschen Verlage seiner Zeit aufsteigen. Der bisherige Standort auf einem elterlichen Grundstück in der damaligen „Erfurter Vorstadt" Gothas hatte die hochfliegenden unternehmerischen Pläne Meyers schnell an räumliche und organisatorische Grenzen stoßen lassen. Da Meyer in Gotha nur über zwei Handpressen verfügte, die gerade mal für die Herstellung von Verlagsanzeigen und Prospekten ausreichten, musste er seine Bücher in Frankfurt drucken lassen und auch die buchbinderischen Arbeiten in fremde Hände legen. Abgesehen von den zusätzlichen Transportkosten kam es dabei nicht selten zu Terminverzögerungen bei der Auslieferung an seine Kunden. Das hätte schnell zum Problem werden können, zumal Meyer den sich rasch ausweitenden Vertrieb seiner Publikationen in starkem Maße auf das Subskriptionssystem stützte (verbindliche Bestellung  und teilweise Vorfinanzierung von Buchreihen und vielteiligen Lieferungen durch Abonnenten) und er sich bei der Verbreitung seiner Verlagserzeugnisse eines Netzes nicht zum Buchhandel gehörender Kaufleute bediente. Kaum hatte Meyer 1827 mit der Veröffentlichung einer vielbändigen billigen „Bibliothek der deutschen Classiker" in mehreren Ausgaben begonnen, die er als „rechtmäßige Auswahl des Schönsten und Gediegensten aus ihren sämtlichen Werken" anpries, zog er sich auch schon den Zorn der etablierten Verleger und Buchhändler zu, die ihm unerlaubten Nachdruck vorwarfen, gerichtlich gegen ihn vorgingen und wiederholt versuchten, die von seinem Verlag veröffentlichten Bücher beschlagnahmen zu lassen.

Um den Großteil dieser Probleme hinter sich zu lassen und seinen verlegerischen Expansionsplänen folgen zu können, entschied sich Meyer bei seiner Suche nach einem neuen Verlagsstandort für Hildburghausen. Dieses war nach einer Neuordnung der ernestinischen Herzogtümer 1826 an das Herzogtum Sachsen-Meiningen gefallen und hatte dabei seinen Status als Residenzstadt eingebüßt, wodurch es an wirtschaftlichen Impulsen für die Zukunft mangelte. Deshalb war es auch nicht verwunderlich, dass sich ein Hildburghäuser Kaufmann namens Johann Erdmann Scheller (1785-1845) beim regierenden Meininger Herzog Bernhard II. (1800-1882) für die Ansiedlung des Meyerschen Verlages in Hildburghausen einsetzte und sich selbst mit einer anfänglichen Kapitaleinlage von 50.000 Gulden an dem Unternehmen beteiligte. Die herzogliche Regierung kam dem Projekt mit außergewöhnlich guten Konditionen entgegen. Sie erließ dem Bibliographischen Institut in einem am 1. November 1828 geschlossenen Vertrag u. a. die Gewerbesteuer, befreite es vom Zunftzwang, erteilte ihm Gewerbefreiheit, stellte Portofreiheit für alle Verlagssendungen in Aussicht und genehmigte nicht zuletzt die Herstellung von „Anthologien", d. h. den von Meyer so umfänglich praktizierten Nachdruck von Auszügen aus Werken deutscher Klassiker. Eine der wenigen Bedingungen, die die herzogliche Regierung stellte, bestand darin, dass das Unternehmen im ersten Jahr 120 bis 150 „Landeskinder" einstellen sollte, später hob man diese Zahl sogar auf 300 an. Der Vertrag wurde mit Hermine („Minna") Meyer (1804-1874), der Ehefrau von Joseph Meyer, geschlossen, denn sie war schon seit der Gründung des Unternehmens 1826 dessen offizielle Eigentümerin. Joseph Meyer begnügte sich mit dem Posten des Geschäftsführers („Disponent"). Dieser für die damalige Zeit sehr ungewöhnliche Umstand hatte einen simplen Grund. Joseph Meyer kannte seinen Hang zu riskanten unternehmerischen Aktionen, er hatte schon mehrere Projekte „gegen die Wand gefahren". In besonders lebhafter Erinnerung dürfte ihm dabei seine Londoner Zeit (1817-1820) geblieben sein, wo er mit waghalsigen Spekulationsgeschäften an der Börse scheiterte, anschließend vor seinen Gläubigern fliehen musste und auch noch seinen für ihn haftenden Vater, den Schuhfabrikanten Johann Nikolaus Meyer (1759-1823), in den Ruin getrieben hatte. Mit der ehelichen Gütertrennung wollte Joseph Meyer im Falle seines erneuten persönlichen wirtschaftlichen Scheiterns nicht nur das Auskommen seiner Familie sichern, sondern auch den Fortbestand des Bibliographischen Instituts garantieren.

Der Aufstieg des Bibliographischen Instituts

Sitz des Bibliographischen Instituts in Hildburghausen 1828-1874
Sitz des Bibliographischen Instituts in Hildburghausen 1828-1874
Neues Verlagsdomizil wurde das unweit des Hildburghäuser Marktplatzes gelegene „Brunnquellsche Haus". Das 1780 - ein Jahr nach dem großen Stadtbrand von 1779 - erbaute große Palais bot dem Bibliographischen Institut ausreichend Raum und Potenzial für seine Entwicklung. Der Meyersche Verlag konnte sich nun eine eigene Druckerei (ausgestattet mit Schnellpressen) und eine Buchbinderei zulegen, bald kamen auch eine „Artistisch-geographische Anstalt" für die Anfertigung von Stahl- und Kupferstichen und weitere Werkstätten hinzu. Die Buchproduktion schwoll rasch an, die Zahl der verlegten Titel wurde immer umfangreicher. Natürlich blieben preiswerte Klassikerausgaben in zahlreichen Bändchen (u. a. „Miniaturbibliothek der deutschen Classiker", „Meyer?s Groschenbibliothek der deutschen Classiker") das „Brot- und Buttergeschäft" des Verlages, aber schnell erweiterte sich das Themenspektrum der Publikationen. Hatte Meyer schon 1827 damit begonnen, theologische Reden in einer „Bibliothek deutscher Kanzelberedsamkeit" zu veröffentlichen, so gab er in Hildburghausen auch Bibeln in unterschiedlichsten Ausstattungen heraus; außerdem erweiterte er das Verlagsprogramm um Atlanten, eine Geschichtsbibliothek, eine „Volksbibliothek für Länder-, Völker- und Naturkunde" und verschiedene andere Werke und Reihen. Der rasch expandierende Verlag hatte 1830 zwar bereits 190 Beschäftigte, trotzdem blieb die herzogliche Forderung nach vorrangiger Einstellung Einheimischer unerfüllt. Daraufhin angesprochen, beklagte Meyer die Schwierigkeit, „brauchbare Handarbeiter zu finden". Das schlug sich in der folgenden, wenig schmeichelhaften Zwischenbilanz nieder: „Von 107 Arbeitern aus Hildburghausen, welche das Institut seit der Hersiedlung in Dienst und Brot nahm, hat es deren gegenwärtig noch 6, schreibe sechs. Die übrigen alle sind entweder als Diebe, Faulpelze, Tölpel, Grobiane und schlechte Arbeiter vom Institutschef fortgejagt worden, - oder sie nahmen [...] freiwillig Reißaus." Zur Ehrenrettung der damaligen Hildburghäuser Bürger muss gesagt werden, dass vor dem Bibliographischen Institut kein vergleichbares Unternehmen in der Kleinstadt tätig war und viele schon deshalb den speziellen handwerklichen Anforderungen des strengen Institutschefs nicht entsprechen konnten. Zudem sollte sich im Laufe der Jahre der Anteil der einheimischen Beschäftigten sichtbar erhöhen: Immerhin stammte 1850 rund ein Drittel der im Verlag Arbeitenden aus Hildburghausen.

Meyer als Verleger und Familienmensch

Büste Carl Joseph Meyers auf dem Innenhof des Brunquellschen Hauses
Büste Carl Joseph Meyers auf dem Innenhof des Brunquellschen Hauses

Joseph Meyer ging völlig in seiner Arbeit auf. Er war das, was man heute einen „Workaholic" nennt. Außerhalb seines Verlages bekam man ihn kaum zu Gesicht. Ständig neue Pläne verfolgend (schon sein Vater hatte ihn als „Projektemacher" kritisiert), war Meyer stets ungeduldig, wollte alle wichtigen verlegerischen Dinge selbst erledigen und hatte deshalb wenig Zeit für Familie und Freunde. Überliefert ist, dass er bereits 5 Uhr morgens aufstand und bis zum Mittag durcharbeitete, um dann nach einer Pause erneut von 13 Uhr bis 19 Uhr tätig zu sein. Dabei entwickelte er auch manche Eigentümlichkeit. So hatte er gegenüber seinem Arbeitsplatz - einem Stehpult - einen hohen Spiegel angebracht: Dort nahm er von den in sein Büro Eintretenden meist nur kurz Notiz und antwortete auf deren Fragen oft, ohne sich umzudrehen. Das war seine Art zu signalisieren, er habe keine Zeit für Gespräche.

So wie Joseph Meyer der „Spiritus Rector" des Verlags war, so war seine Frau Minna die „gute Seele" des Unternehmens und der Familie, zu der noch die Kinder Herrmann Julius (1826-1909) und Meta (1832-1875) gehörten. Minna Meyer behielt stets den Blick für das wirtschaftlich Vernünftige, kümmerte sich um Geschäftliches und die Dinge des Alltags, half ihrem Mann aber auch sachkundig bei der Auswahl von Literatur. Sie musste manche Schroffheit Meyers gegenüber Angestellten und Ämtern ausgleichen, stand aber immer treu zu ihm.

Der „Wunder-Meyer"                                                                                                          

Meyers bedeutendstes und ihn überdauerndes Werk sollte „Das große Conversations-Lexicon für die gebildeten Stände" werden, dessen Erarbeitung er 1839 - nach fünf Jahren Vorbereitung - in Angriff nahm. Dabei gerieten Meyers ursprünglichen Planungen für das Nachschlagewerk völlig aus den Fugen. Statt der veranschlagten vier Jahre und der vorgesehenen 21 Bände wurde die vierfache Zeit benötigt, bevor 1855 der letzte von insgesamt 52 (!) Bänden - 46 reguläre und 6 Ergänzungsbände - abgeschlossen war. An diesem mit Porträtbildern, Stadt- und Landschaftsansichten, Karten und anderen Abbildungen ausgestatteten Mammutwerk, das als „Wunder-Meyer" Berühmtheit erlangte, arbeiteten 120 Gelehrte und Autoren mit. Auch Meyer selbst verfasste zahlreiche Beiträge. In die Herausgabezeit fiel die Revolution von 1848/49; insofern ist das Lexikon nicht zuletzt ein interessanter politischer Gedankenspiegel jener Zeit. „Meyers Lexikon" avancierte zum wichtigsten Standardwerk des Bibliographischen Instituts, dessen zahlreiche Bearbeitungen und Aktualisierungen in den unterschiedlichsten Ausgaben bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts erschienen.

Der politische Publizist                                                                                                       

Joseph Meyer trat auch als politischer Publizist hervor, der sich in der Zeit des Vormärz und der Revolution von 1848/49 vehement für bürgerlich-demokratische Forderungen einsetzte und dabei das persönliche Risiko nicht scheute. Die von ihm herausgegebenen Zeitungen „Der Hausfreund" und „Der Volksfreund" (beide 1832) wurden schon nach kurzer Zeit verboten, Letztere offiziell wegen ihres „der öffentlichen Ruhe und gesetzlichen Ordnung zuwiderlaufenden Inhalts". Zudem wurde dem Bibliographischen Institut für die Zukunft untersagt, politische Presseerzeugnisse zu veröffentlichen. Aber Joseph Meyer suchte schnell nach anderen Wegen, um seine Weltsicht zu verbreiten, und schuf sich dafür mit dem seit 1833 in Monatsheften erscheinenden „Meyer?s Universum'' eine neue Plattform. Die mit wundervollen Stahlstichen von Landschaften, Städten und Gebäuden ausgestattete „Bildergallerie für alle Stände und jedes Alter" verstand sich als „Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde". Für das Ansichtenwerk, das in seinen besten Zeiten eine Auflage von 80.000 Exemplaren erreichte und auch im Ausland einen bemerkenswerten Absatz fand (zeitweilig erschien es in zwölf Sprachen), schrieb Meyer bis zu seinem Tod die Texte selbst. Das Wissen dazu las er sich in den Reiseberichten und Nachschlagewerken seiner Zeit an. In die von ihm verfassten lebhaften Beschreibungen ließ er nicht zuletzt auch geschickt demokratisch-liberales Ideengut und kritische Bemerkungen zu aktuellen Entwicklungen einfließen.    

Während der Revolution von 1848/49 richtete Meyer am 12. März 1848 eine „Reform-Adresse" an Herzog  Bernhard II. von Sachsen-Meiningen, in der er sich zum Fürsprecher revolutionärer Forderungen machte und deren Unterstützung durch die meiningischen Delegierten im Frankfurter Bundestag forderte. Als selbst ernannter „Thurmwart der Freiheit"  ließ er es sich auch nicht nehmen, auf kritikwürdige Verhältnisse im Herzogtum hinzuweisen, wobei er u. a. die Abschaffung der Zensur, die Einführung eines Versammlungs-, Petitions- und Beratungsrechts, die Beseitigung aller Vorrechte durch Geburt, eine Vereinfachung des Steuerrechts, eine Reform des Schulwesens und einen Abbau des „Beamtenheers" auf die Tagesordnung setzte. Nachdem im Mai 1848 in Frankfurt am Main eine deutsche Nationalversammlung zusammengetreten war, glaubte Meyer, seiner Informationspflicht gegenüber den Bürgern mit der Herausgabe einer „Deutschen Parlaments-Chronik" (1848-1849) nachkommen zu müssen, die er als „politisches Schulbuch für?s Deutsche Volk" verstanden wissen wollte. Selbst als sich das Scheitern der Revolution abzeichnete, versuchte er weiterhin, die Thüringer und Franken durch Aufrufe für die freiheitlich-liberalen Ziele zu mobilisieren. Doch die meisten hatten sich bereits mit der bestehenden Situation arrangiert; führende Akteure der Revolution - soweit sie nicht umgekommen oder inhaftiert worden waren - und viele von der Entwicklung Enttäuschte flohen ins Ausland. Auch Meyers Sohn Herrmann Julius verließ 1849 Hildburghausen in Richtung Amerika, wo er in New York für einige Jahre einen eng mit dem väterlichen Unternehmen abgestimmten Verlagsbuchhandel betrieb. Allmählich bekam nun auch Joseph Meyer stärker den Gegendruck der Reaktion zu spüren. Zunächst wurde ein liberal-demokratisch auftretender Mitarbeiter seines Verlags, der Redakteur Eugen Huhn, verhaftet. Immer weiter greifende Zensur- und Verbotsmaßnahmen im In- und Ausland richteten sich gegen das „Universum", was Meyer dazu bewog, dessen Erscheinen 1849 für ein Jahr auszusetzen. Und da er sich politisch uneinsichtig zeigte, ging man dazu über, ihn persönlich zu belangen. Seine wiederholte Kritik v. a. am preußischen König führte dazu, dass Meyer auf preußischen Druck wegen „Majestätsbeleidigung" zu vier Wochen Haft verurteilt wurde, die er im Dezember 1851 im Hildburghäuser Gefängnis („Frohnveste") antrat. Und da er sich auch dadurch nicht einschüchtern ließ und nach seiner Freilassung Vorwürfe gegen die Justiz des Herzogtums erhob, brachte ihm das im August 1852 eine erneute Verurteilung zu drei Monaten Haft ein. Beide Gefängnisaufenthalte zehrten schwer an seiner ohnehin schon angeschlagenen Gesundheit. Angesichts der Repressalien gegen seinen Verlag und ihn hatte Meyer vorübergehend die Absicht, mit dem Bibliographischen Institut in die Schweiz oder in die USA umzuziehen, ließ diese Pläne aber schließlich fallen.

Meyers Eisenbahn- und Montanunternehmen                                                                       

Von der Idee beseelt, sich in Deutschland führend am Bau von Eisenbahnen zu beteiligen, die gerade das Reise- und Transportwesen revolutionierten, ließ sich Joseph Meyer in der zweiten Hälfte der 1830er-Jahre erneut auf ein riskantes wirtschaftliches Unternehmen ein, das ihn fast bis an sein Lebensende beschäftigen sollte. Während die herzogliche Regierung in Meiningen v. a. an der Errichtung eines Streckennetzes in Thüringen interessiert war, hatte Meyer - auch ganz im Sinne seiner Überzeugung, einen Schritt zur Beseitigung der Kleinstaaterei zu unternehmen - eine gesamtdeutsche Eisenbahnlinie zum Ziel. Die von ihm geplante „Hanseatisch-Süddeutsche Central-Eisenbahn" sollte Nürnberg mit Hamburg und Bremen verbinden. Um bei der Schienenherstellung von Zulieferern unabhängig zu bleiben, sicherte sich Meyer schon 1837 Konzessionen zum Abbau von Kohle- und Erzvorkommen in Thüringen, gründete 1845 als Aktiengesellschaft eine „Deutsche Eisenbahnschienen-Compagnie" und errichtete neben den Kohlegruben von Neuhaus (heute Neuhaus-Schierschnitz im Landkreis Sonneberg) ein Eisenverhüttungswerk. Aber das groß angelegte Unternehmen Meyers, in das er auch viel eigenes Geld und finanzielle Mittel des Verlages investiert hatte, scheiterte an den verschiedensten Widerständen (z. B. an der Verweigerungshaltung einzelner deutscher Fürsten gegen eine durchgehende Nord-Süd-Bahn) und Problemen (u. a. wirtschaftliche Rezession im Gefolge der Revolution von 1848/49, Unerfahrenheit Meyers als Montanunternehmer). Meyer stand vor einem finanziellen Scherbenhaufen.

 

Die letzten Jahre Joseph Meyers und der Übergang des Verlags in neue Hände                                                                                                                      Als Meyer 1853 ungeachtet des vorausgegangenen Desasters noch einmal sein Bahnprojekt aufgriff, entzog ihm die herzogliche Regierung endgültig die Unterstützung und genehmigte 1855 einer „Thüringischen Gesellschaft" den Bau einer „Werrabahn". Meyer wollte aber nicht aufgeben und versuchte im Januar 1856, als finanzielle Grundlage seines Projekts eine „Allgemeine Bank- und Creditanstalt" ins Leben zu rufen, wenn auch erfolglos. Joseph Meyer stand nun in seinem 60. Lebensjahr. Er hatte sich und seine Familie mit seiner rastlosen Arbeit und den oft überdimensionierten Projekten mehr als einmal überfordert. Am Abend des 27. Juni 1856 riss ihn ein Schlaganfall aus dem Leben. Bestattet wurde er im Beisein der Familie, einiger Freunde und Verlagsmitarbeiter am 29. Juni 1856 um 4 Uhr morgens auf dem Hildburghäuser Friedhof.

Es sollte sich als glückliche Fügung erweisen, dass Joseph Meyer das Bibliographische Institut bereits bei der Gründung seiner Frau Minna überschrieben hatte, die mit ihrem inzwischen aus Amerika zurückgekehrten Sohn nun das verschuldete und zum Schluss von ihrem Mann nur noch mit halber Kraft geführte Unternehmen aus seinen Schwierigkeiten befreien konnte. Ende Juli 1856 übernahm Herrmann Julius Meyer die Führung des Bibliographischen Instituts; er zeichnete sich durch seine unternehmerische Umsicht aus und zog 1874 mit dem Verlag - wegen der besseren Rahmenbedingungen - nach Leipzig.                                                                                                  

Quellen:

-          Margarete Braungart: Carl Joseph Meyer und das Bibliographische Institut Hildburghausen 1828-1874, Broschüre des Stadtmuseums Hildburghausen

-          Joachim Heimannsberg: Ein Mensch namens Meyer. Carl Joseph Meyer zum 200. Geburtstag. Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG, Mannheim 1996

-          Peter Kaiser: Der Pläneschmied. Das außergewöhnliche Leben des Verlegers Carl Joseph Meyer. Salier Verlag, Leipzig und Hildburghausen 2007

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 Bildquellen:

Vorschaubild, Joseph Meyer ca. 1840, Zeichner ist Unbekannt, gemeinfrei. Bearbeitet von Andreas Werner 

 Sitz des Bibliographischen Instituts in Hildburghausen 1828-1874. Foto: S. Müller, Wikipedia, XHBNx, gemeinfrei

Büste Carl Joseph Meyers auf dem Innenhof des Brunquellschen Hauses. Foto: Thomas Handschel

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