In den hochadeligen Herrscherfamilien gab es in der Vergangenheit unzählige traurige Frauenschicksale. Wenige davon entwickelten sich jedoch zu solch einer Lebenstragödie, wie die von Anna Prinzessin von Sachsen Herzogin zu Sachsen (1567–1613).
Ihres tragischen Schicksals sich annehmend, verfasste der bekannte sächsische Autor Hans-Joachim Böttcher die Biografie: „Wenig und bös war die Zeit meines Lebens - Anna von Sachsen (1567–1613)“, welche der Dresdener Buchverlag im Juni 2016 heraus bringt.
Geboren wurde sie als Tochter des sächsischen Kurfürsten August, genannt Vater August und seiner Gemahlin Anna von Dänemark, gern als Mutter Anna bezeichnet, in Dresden. 1586 wurde die Prinzessin mit Johann Casimir Herzog von Sachsen-Coburg verheiratet. Wenngleich das von ihrer Seite aus Liebe geschah, so doch nicht von ihrem Gemahl, der damit gewisse Ziele verfolgte, die sich allerdings schnell zerschlugen. In der Folge entwickelte er, wohl weniger da sie körperlich leicht verwachsen war, sondern auf Grund des ausbleibenden Kindersegens, ihr gegenüber ein zunehmend ablehnendes Verhalten. Der von dem Herzog an den Coburger Hof geholte berühmte italienische Abenteurer Graf Hieronymus Scottus, der als charmanter Magier sowie Alchemist sich das Vertrauen Annas erschlich, nutzte die Situation schmählich aus. Er gaukelte ihr vor ihren Kinderwunsch Realität werden zu lassen und verführte sie unter sehr mysteriösen Umständen. Auch brachte er sie um große Vermögenswerte. Bevor Scottus Coburg verließ richtete er bösartiger Weise noch mehr Unheil an. Unter merkwürdigem Gebaren arrangierte er zwischen ihr und dem Höfling Ulrich von Lichtenstein ein Verhältnis. Nach dessen Aufdeckung 1593 ließ sich Johann Casimir sofort von seiner Gemahlin scheiden was zur Folge hatte, dass ihre Familie sie verstieß.
Durch die daraus resultierende Verweigerung der Aufnahme Annas in ihrer sächsischen Heimat blieb ihrem ehemaligen Gemahl keine andere Möglichkeit, als für sie selbst aufzukommen. Für die junge Frau stellte dieser Entscheid natürlich eine Katastrophe dar. Denn damit blieb sie für den Rest ihres Lebens ihrem ehemaligen Gatten ausgeliefert. Und das verhieß nichts Gutes, da sein negativster Charakterzug eine fanatische Rachsucht war. Dazu kam, dass er auf Grund der ererbten Schulden, aber auch seiner eigenen Lebensführung sowie betriebenen Bauprojekten kaum über finanziellen Spielraum verfügte. Das Heiratsgut von Anna dürfte auch schon lange aufgebraucht sein. So wird sein Ärger, sie trotz der Ehetrennung unterhalten zu müssen, ihn noch mehr gegen sie aufgebracht haben.
Viele Jahre war das sture und mehr als naive Verhalten von Herzog Johann Casimirs Vater, Johann Friedrich II., im Rahmen der Grumbach-Affäre und sein daraus resultierendes Schicksal (das ihn 1567 bis zu seinem Tod 1595 in kaiserliche Gefangenschaft brachte!) Gesprächsthema in den europäischen Herrscherhäusern gewesen. Nun war es dessen Sohn mit Gemahlin, über deren Gründe für ihre Ehescheidung in ganz Deutschland nicht nur der Hochadel redete. Vielleicht führte gerade das verstärkt dazu, dass der sich in seiner Ehre zutiefst verletzt fühlende Johann Casimir erst recht keine Gnade gegen Anna walten lassen wollte. Unter Umständen sah er allerdings auch jetzt die Chance gekommen, sie als Albertinische Wettinerin genauso lebenslang in Haft zu halten, wie der Kaiser seinen geliebten Vater, wozu ja der von Anna massiv beigetragen hatte.
Schon am 5. Dezember 1593, eine Woche vor ihrer rechtlichen Ehescheidung, war Anna in Coburg aus der Ehrenburg auf die Veste in Haft gebracht worden. Ihr Noch-Ehemann wollte sie offenbar einfach nicht mehr in seiner unmittelbaren Umgebung haben. Elf Tage später wies er den Festungshauptmann Jobst Marschalk und den Kammerrat Moritz von Heldritt an seine geschiedene Gemahlin „aus allerhand erheblichen Ursachen“ von Coburg gänzlich weg, nach Eisenach, zu bringen. Ob dafür der Grund persönliche Animositäten waren, oder er einfach verhindern wollte, dass zwischen Anna sowie dem ebenfalls in der Veste gefangenem Lichtenstein eine Kontaktaufnahme zustande käme, sei dahin gestellt.
Für die Durchführung der Überführung wurden Hans von Schaumburg und der Heldburger Amtmann, Georg von Birkenfeld, bestimmt. Sie erhielten vom Herzog eine sehr detaillierte, äußerst strenge Order. Die darin enthaltene Anweisung, dass die Gefangene bis zum Zielort Fesseln anbehalten sollte, zeigt nicht nur seinen Hass gegen die ehemalige Gemahlin, sondern mehr noch die Furcht vor weiteren Spott, was er auch in der Anweisung formulierte, den er bei ihrer eventuellen Flucht befürchtete ausgesetzt zu werden. Aber sie zeigt eben auch die Brutalität, zu der Johann Casimir selbst gegen eine Frau fähig war. Als Begleiterin hatte er Anna nur eine Bedienstete zugestanden, die auf einem separaten Gepäckwagen die Reise durchzuführen hatte.
Am Freitag, den 20. Dezember 1593, begann bei bestimmt nicht angenehmen Temperaturen die Fahrt nach Eisenach. Da dafür drei Tage erforderlich waren, musste das erste Nachtlager in Römhild und das zweite in Salzungen genommen werden. Sonntags kam die kleine Kolonne um Mitternacht am Zielort an. Entsprechend der Order des Herzogs wurde Anna im gut bewachten Amtshof (auch als Zoll- oder Landgrafenhof bezeichnet, der heute nicht mehr existiert!) in einigen kleinen Zimmern untergebracht. Hier musste sie von nun an mit ihrer Bediensteten, zu der später eine zweite kam, ein sehr einsames Leben führen.
Wenn schon die Weihnachtstage jenes Jahres für Anna sicher die traurigsten ihres
bisherigen Lebens waren, hatte sie nun in Eisenach täglich großes Ungemach zu erleiden. So durfte sie selbst ihre Zimmer niemals verlassen, um sich gelegentlich im Freien zu bewegen. Ein Briefverkehr mit ihren Verwandten und irgendwelche Kontakte zu Menschen außerhalb ihrer Unterkunft blieben ihr ebenfalls verwehrt. Das plötzliche Ende ihres zwar nicht glücklichen, jedoch angenehmen, freien Lebens löste in Anna sicherlich eine schwere seelische Krise aus. Verbittert wird sie über ihr, solch tragischen Verlauf genommenes Schicksal und mit schmerzlicher Reue über ihre Schuld daran, wie auch über den darauf mit größter Härte reagierenden Gemahl nachgesonnen haben. Dabei waren ihr natürlich der Einfluss, den darauf der sächsische Administrator sowie ihre Schwägerin Sophia hatten mit Sicherheit unbekannt. Da leicht cholerisch veranlagt, reagierte sich die Gefangene bestimmt jedoch auch ab und zu in verzweifelten heftigen Anfällen ab. Allein in diesem Zustand sollte sie jedoch nicht verharren.
Auf Grund der täglichen Langweile begann Anna sich langsam mit typischen weiblichen Handarbeiten, wie Nähen, Sticken und dergleichen die Zeit zu vertreiben. Diese Fertigkeiten brachte sie zudem ihren ebenfalls unter der Situation leidenden Mägden bei. Daneben lehrte sie ihnen Schreiben sowie Lesen. Ansonsten blieb der Inhaftierten als weiterer Zeitvertreib nur sich mit der Bibel zu beschäftigen.
Mit der Isolation Annas versuchte Johann Casimir sich nicht nur an ihr zu rächen, sondern hoffte auch, sie dadurch schnell aus der Erinnerung der Standesgenossen zu löschen. Denn nichts ärgerte ihn offenbar so sehr, wie deren Spott wegen seines Eheskandals. Es war allerdings so, dass er mit diesem sehr unklugen Handeln gerade das Gegenteil erreichte. So blieb die Affäre weiterhin Gesprächsstoff im Hochadel, was die anhaltende Demütigung Johann Casimirs bedeutete. In seinem Hass sowie seiner Sturheit vermochte er allerdings nicht sich diesen Fehler einzugestehen und zu korrigieren. Die Folge war, dass sein gegenüber Anna unwürdiges, überhaupt nicht großmütig-fürstliches Verhalten dazu führte, dass zunehmend Unwillen gegen ihn, dafür jedoch Mitleid für die Gefangene geweckt wurde.
Die Inhaftierung der geschiedenen Herzogin im Amtshof blieb in Eisenach selbstverständlich nicht unbekannt. Ende 1595 verbreitete sich in der Stadt ein Gerücht, dass eine Befreiung der Gefangenen geplant sei. Ob man diese Aktion vor Ort oder anderswo erwogen hatte und natürlich erst recht von wem, blieb unbekannt. Ein Versuch den Plan umzusetzen erfolgte jedenfalls nicht. Selbst im Ausland war man auf Annas Schicksal aufmerksam geworden. So berichtete am 20. Juni 1596 der Eisenacher Amtmann an den Herzog, dass nach einer glaubhaften Nachricht der König von Dänemark, Christian IV., die Absicht habe sich der internierten Herzogin anzunehmen und sie befreien zu lassen. Schon sieben Tage später schrieb Johann Casimir zurück, dass der Amtmann das Gerücht zu erforschen und auf die gefangene Herzogin aufmerksam aufzupassen habe. Es solle ihm schließlich nicht aufs Neue ein „unversehener Schimpf“ zustoßen. Das war es eben, die ihm widerfahrene Blamage des Eheskandals, von dem sich Johann Casimir nicht seelisch frei machen konnte. Er verstand es einfach nicht, souverän damit, wie auch mit seiner ehemaligen Gemahlin umzugehen und so dem Tratsch seiner Standesgenossen jegliche Basis zu entziehen.
Welche Ermittlungsergebnisse der Amtmann gewann, ist unbekannt. Jedenfalls könnten die Gerüchte über einen angedachten Befreiungsversuch von Anna eventuell ihre Richtigkeit gehabt haben, denn schließlich war der Dänenkönig ihr Cousin. Sollte sie darüber informiert, oder sogar im geheimen zu ihr Kontakt aufgenommen worden sein, wird ihr das bestimmt Hoffnung gegeben haben, eines Tages wieder in Freiheit zu gelangen. Allerdings scheint solch ein Befreiungsplan kaum realisierbar gewesen zu sein. Deshalb sicher nicht aus diesem, sondern einem ganz anderem Grund brachte man Anna wenige Monate später aus Eisenach weg. Denn zu jener Zeit war schon ein in Arbeit Teilungsprojekt für das Herzogtums Coburg zwischen Johann Casimir und seinem Bruder Johann Ernst sehr weit gediehen. Danach sollte letzterer die Stadt und das Amt Eisenach als eigenständiges Herzogtum erhalten. Seinen Wohnsitz plante er sodann erst einmal im Eisenacher Amtshof zu nehmen. Als Folge der Aufteilung des kleinen Ländchens zwischen den Brüdern verschlechterte sich im Übrigen für Johann Casimir die wirtschaftliche Basis weiter. Trotzdem pflegte er mit Johann Ernst auch fernerhin ein sehr herzliches Verhältnis.
Auf Grund der bevorstehenden Veränderungen musste die völlig überraschte Anna am 13. September 1596, nach fast dreijähriger Inhaftierung in Eisenach, ihre Unterkunft räumen. Unter starker Bewachung trat sie die Reise durch den Thüringer Wald an. Als Ziel nannte man ihr Schloss Callenberg, bei Coburg. Zwei Tage später dort angekommen, lag jedoch schon von Johann Casimir eine neue Weisung vor, die Gefangene am nächsten Tag nach Hofstätten (das heutige Sonnefeld!) zu überführen. Dort seien in dem benachbart stehenden ehemaligen Kloster für ihre dauernde Aufnahme geeignete Räume zur Verfügung gestellt worden. Die Reise ging also weiter.
Fast zwei Jahrzehnte sollte der, mehrmals sehr tragische Wendungen nehmende, Leidensweg von Prinzessin Anna dauern. Sein Ende fand er erst mit ihrem Tod auf der Veste Coburg 1613, worauf sie in der ehemaligen Klosterkirche von Sonnefeld beigesetzt wurde. Ihren ewigen Frieden sollte sie hier allerdings auch nicht finden.
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