Zeugnisse der herzoglichen Residenzzeit
Rund 250 Jahre lang stand in der südthüringischen Stadt Hildburghausen ein Schloss, bis es in den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges zerstört wurde. In der Gegenwart erinnern nur noch einzelne Namen wie „Schlosscenter“ daran. Zudem existiert bis heute – ungeachtet mancher Veränderung und zeitweiliger Umbenennung – ein Schlosspark. Das alles führt uns in jene Zeit zurück, als die Kleinstadt noch eine Fürstenresidenz war.
Herzog Ernst braucht ein Schloss
1680 ging aus einer Erbteilung im Hause Sachsen-Gotha-Altenburg auch das kleine Herzogtum Sachsen-Hildburghausen hervor. Zum Zeitpunkt seiner Entstehung umfasste es die Ämter und Städte Hildburghausen, Heldburg und Eisfeld, das Amt Veilsdorf und das halbe Amt Schalkau. Später sollte es noch einige kleinere territoriale Veränderungen erfahren.
Der erste regierende Fürst von Sachsen-Hildburghausen, Herzog Ernst (1655-1715), bestimmte Hildburghausen zu seiner Residenzstadt. Allerdings fehlte ihm dort zunächst ein eigener repräsentativer Herrschaftssitz, weshalb er zwischen 1684 und 1695 noch im Rathaus residieren musste. Doch am 27. Mai 1685 legte er in Anwesenheit von Hof- und Regierungsbediensteten persönlich den Grundstein für den Bau eines Schlosses. Dieses entstand auf einem Areal am südwestlichen Rand der Innenstadt, wofür der ehemalige Amtshof und weitere Gebäude weichen mussten und auch Steine des verfallenen Klosters Veilsdorf Verwendung fanden.
Bau des Schlosses
Schlossbaumeister war ein gewisser Elias Gedeler, nach dessen Tod 1693 übernahm Bauinspektor Johann Schnabel diese Aufgabe. 1695 waren der nach Süden gelegene Hauptbau und der Ostflügel der Residenz errichtet. Der Stadtchronist Rudolf Armin Human beschreibt das Resultat der zehnjährigen Bauzeit als „einfach schön und symmetrisch in französischem Styl“ (Chronik der Stadt … Hildburghausen, 1886, S. 208). Bis dahin hatte das Schloss bereits die immense Summe von 44 000 Gulden gekostet – und das ohne Berücksichtigung der Frondienste und Aufwendungen für Holz. Um das Schloss und die ganze Hofhaltung zu finanzieren, wurden der Stadtbevölkerung anfangs fünf, schließlich sogar vierzehn Sondersteuern auferlegt.
Die Residenz wurde nachträglich noch durch einen zwischen 1705 und 1707 fertiggestellten Westflügel ergänzt.
Schlossarchitektur
Das dreiteilige Schlossgebäude gruppierte sich um einen rechteckigen Ehrenhof (Empfangshof). Der Hauptbau und der Ostflügel waren dreigeschossig, während der später entstandene Westflügel nur zweistöckig und auch schmaler gebaut wurde.
Die Schlossfassade war verputzt und kam ohne großen Schmuck aus. Die rechteckigen Fenster wurden von einfachen steinernen Umfassungen gerahmt. Die Hofseite wies zwei Tore auf, die jeweils von bis zum Dach reichenden Pilastern (Wandpfeilern) umgeben waren. Über diesen waren mit Reliefs verzierte Dreieckgiebel angebracht. Der westlich gelegene Eingang führte zur Schlosskirche, das östliche Portal war der Zugang zum Wohnbereich und als Durchfahrt gestaltet. Die südliche Außenseite hatte nur ein Tor.
Laut Stadtchronist Human „wurde die Residenz das ansehnlichste Gebäude der Stadt und gab gerade in ihrer einfachen, prunklosen Ausführung mit dem weithin leuchtenden Schieferdach der Stadtumgebung ein feierlich ehrwürdig Gepräge." (Chronik der Stadt … Hildburghausen, S. 208). Mit Blick auf die ansonsten kleinstädtische Szenerie empfand manch einer das Schloss aber auch als sehr wuchtig. Auf jeden Fall dominierte es das Stadtbild.
Das Schlossinnere
Das Residenzschloss war nicht nur der Wohnsitz der herzoglichen Familie, es beherbergte auch das Geheimratskollegium und das Hofmarschallamt. In seinem Westflügel befand sich die 1705 eingeweihte Schlosskirche „Zum heiligen Geist“, darunter lag die Fürstengruft. Außerdem war dort auch der Marstall untergebracht.
Der monumentalen äußeren Erscheinung des Schlosses entsprach eine sehr üppige Innenausstattung. Es verfügte über mehrere prunkvolle Audienzzimmer und drei Hauptsäle. Der im dritten Stock gelegene größte Raum wurde anfangs als Theater- und Redoutensaal genutzt, später nahm er das Archiv sowie die Bibliothek auf und diente wohl auch als Naturalienkabinett. Im Untergeschoss hatte die Hofkonditorei ihren Platz. In einem der Schlosssäle fand zeitweilig auch ein Wachsfigurenkabinett mit Nachbildungen von europäischen Monarchen und bekannten Persönlichkeiten der Französischen Revolution sein Domizil.
Zweimal wurde das Schlossgebäude von Blitzschlägen getroffen: das erste Mal bei einem Unwetter 1698, ohne dass nennenswerter Schaden entstand; das zweite Mal 1783, wobei der einschlagende Blitz mehrere Zimmer, die Bibliothek sowie die Schlosskirche in Mitleidenschaft zog und fünf Pferde im Marstall tötete.
Das Schloss nach dem Wegzug der Herzogs
1826 fiel das Herzogtum Sachsen-Hildburghausen im Zuge einer neuen Erbteilung größtenteils an das Haus Sachsen-Meiningen. Im Austausch dafür erhielt der letzte Hildburghäuser Herrscher Friedrich (1763-1834) das Herzogtum Sachsen-Altenburg. Da Friedrich umgehend seinen Sitz nach Altenburg verlegte, büßte das Schloss von Hildburghausen noch im gleichen Jahr seine Rolle als Residenz ein. Daran änderte auch nichts, dass Friedrichs Sohn Prinz Georg (1796-1853) und seine Frau Marie noch bis 1829 dort wohnten. Anschließend quartierten sich hier einige Beamte ein. In der Schlosskirche fand 1847 der letzte Gottesdienst statt, danach wurde sie zu einem Schwurgerichtssaal umgestaltet. Nach verschiedenen baulichen Veränderungen diente das Schlossgebäude ab 1867 als Kaserne und war Garnisonsstandort des 2. Bataillons des 6. Thüringer Infanterie-Regiments Nr. 95. Am Ende des Zweiten Weltkriegs geriet die Schlosskaserne am 7. April 1945 unter amerikanischen Artilleriebeschuss und brannte völlig aus. Die Ruine brach man 1949/1950 ab. Bauliches Überbleibsel war ein Gewölbekeller, in dem sich zu DDR-Zeiten ein beliebtes Restaurant mit dem Namen „Schlosskeller“ befand. 2013/2014 wurde auf dem ehemaligen Schlossgelände ein Einkaufszentrum mit dem Namen „Schlosscenter“ fertiggestellt.
Der Schlosspark
Auf dem südlich vor dem Schloss liegenden Wiesengelände begann man um 1700 damit, einen Park anzulegen. Das ursprünglich sumpfig-morastige Gebiet stand bei Hofe im Verdacht, ein Krankheitsherd zu sein. Um diese Gefahr auszuschalten, ging man zunächst daran, das regelmäßig im Frühjahr von der Werra überflutete Terrain zu entwässern und holte sich dazu sogar den Rat eines niederländischen Wasserbaumeisters. Der Flusslauf der Werra wurde geändert und ein Kanal um eine rund fünf Hektar große rechteckige Fläche gegraben. In Anlehnung an Versailles errichtete man hier anschließend einen barocken Park, der besonders unter Herzog Ernst Friedrich I. (1681-1724) Gestalt annahm. Obwohl das kleine Fürstentum wegen seiner notorischen Ausgabenfreudigkeit haushoch verschuldet war, investierte der Herzog den 1720 erzielten Erlös aus dem Verkauf der ererbten Grafschaft Cuylenburg an die Niederlande angeblich vor allem in den Bau des Schlossparkkanals mit einer Wasserfläche von rund 21500 m2.
Einen anschaulichen Eindruck davon, wie prachtvoll die Parkanlage einst aussah bzw. doch zumindest geplant war, liefern mehrere aus der Werkstatt des Nürnberger Kartografen Johann Baptist Homann (1664-1724) stammende Kupferstiche wie zum Beispiel der „Grundriss des hochfürstlichen Lustgartens mit dem Schloss der herzoglichen Residenz zu Hildburghausen“. Dort ist ein geometrisch angelegtes Wegesystem mit Alleen, Plätzen, imposanten Heckenlandschaften und zahlreichen Attraktionen zu sehen. Im Südwesten befand sich ein Irrgarten (Labyrinth), es gab verschiedene Pavillons, figürliche Darstellungen von Tierfabeln, ein Naturtheater, eine Menagerie (kleiner Tierpark) und „Fontänen“ (Springbrunnen bzw. Wasserspiele). Südlich des Kanals lag ein größerer Tiergarten. Auf dem Parkgrundriss von Homann sind sechs symmetrisch angeordnete Brücken als Zugänge eingezeichnet (jeweils zwei an den Langseiten im Norden und Süden sowie eine im Westen und eine im Osten).
Laut Stadtchronist Human schuf der Hofgärtner Zacharias Ferrière, einer der in Hildburghausen siedelnden Hugenotten, 1755 im Auftrag von Herzog Ernst Friedrich III. Carl (1727-1780) „kunstvolle Anlagen“ im Schlosspark, den man gemeinhin als „Irrgarten“ bezeichnete. Im selben Jahr erfolgte auch der Umbau eines schon 1721 am Südostrand des Parks entstandenen Ball- und Fechthauses in ein Hoftheater (das heutige Stadttheater). Nordöstlich des Parks, direkt an der Stadtmauer, war bereits um 1730 ein Haus für die Hofgärtnerei, das „Orangeriehaus“, errichtet worden (später auch als „Sachsenburg“ bezeichnet, gegenwärtig Sitz der Stadtverwaltung). An der nordwestlichen Ecke des Parks (auf Höhe der heutigen Schlossparkpassage) erbaute man 1740 ein Lustschlösschen namens „Monbijou“ (Mein Kleinod).
Um 1800 wurde der Schlosspark nach dem Vorbild eines englischen Landschaftsgartens umgestaltet. 1815 ließ Herzogin Charlotte (1769-1818) ihrer jung verstorbenen Schwester, der berühmten Königin Luise von Preußen (1776-1810), ein Denkmal im Park direkt gegenüber dem Schloss errichten. Das rund 1,5 m hohe Sandsteinmonument mit einem Marmorrelief Luises stammt vom Bildhauer Ernst Schulze und erhielt eine vom Hildburghäuser Gymnasialdirektor Friedrich Sickler verfasste Inschrift.
Als der letzte Herzog von Sachsen-Hildburghausen, Friedrich, 1826 seine Residenz nach Altenburg verlegte, wurde der Schlosspark allgemein zugänglich. Einschränkungen ergaben sich ab 1867, als aus dem Schlossgebäude eine Kaserne wurde und man Teile des gegenüberliegenden Schlossparks als Exerzierplatz zu nutzen begann. Das dort stehende Luisendenkmal wurde daraufhin ein Stück nach Osten versetzt und kehrte erst 1989 an seinen ursprünglichen Platz zurück.
Der Haupteingang zum Park – eine stählerne Brückenkonstruktion – befindet sich im Norden, weitere Brückenzugänge gibt es im Süden und Osten. Zu DDR-Zeiten war die Parkanlage als „Friedenspark“ ein städtisches Naherholungsziel (u. a. mit einem Ruderbootverleih für Fahrten auf dem Kanal). Inzwischen lädt die grüne Oase wieder unter ihrem alten Namen „Schlosspark“ zum erholsamen Verweilen oder zu einem Spaziergang ein.
Quellen:
(Texte: Hans-Jürgen Salier; zuletzt abgerufen am 18.12.2019)
Bildquellen:
Das Schloss von Hildburghausen ca. 1800, gemeinfrei
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Pläne und Ansichten des Schlosses zu Hildburghausen, Kupferstiche, zwischen 1715 u. 1724, Schumacher, Klaus-Dieter (Fotograf); Homann, Johann Baptist (1715), Deutsche Fotothek, gemeinfrei
Bilder vom Schlosspark Hildburghausen von Thomas Handschel