Abend will es werden
Rudolf Baumbach
Ein Abend- und Herbstgedicht
Der Thüringer
Rudolf Baumbach war ein in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts viel gelesener Dichter. Heute noch sind die von ihm verfassten Liedertexte „
Hoch auf dem gelben Wagen", „
Die Lindenwirtin" und &bbdquo;Bin ein fahrender Gesell" weit bekannt. Baumbach schrieb viele Gedichte, in denen er sich als einfühlsamer Naturbeobachter zeigte. So auch in dem folgenden Text, in dem ein alternder Mann einen stimmungsvollen Abend in einer Herbstlandschaft beschreibt. Er sieht nicht nur den Abend in der Landschaft, sondern auch den des eigenen Lebens über sich heraufziehen. Das weckt Erinnerungen in ihm, doch diese sind nicht wehmütig. Der Dichter akzeptiert sein Los und ist mit sich und der ihn umgebenden Natur im Einklang.
Florian Russi
ABEND WILL ES WERDEN
Sitz´ allhier auf einem Stein,
Schau´ ins Thal hinunter,
Rothe Heide blüht am Rain,
Und der Wald wird bunter.
Nebel steigt aus Teich und Bach,
Rauch von allen Herden,
Golden glänzt das Kirchendach:
Abend will es werden.
Ehmals, wenn der Schritt mich trug
Ueber Berg und Hügel,
Sah ich nach der Wolken Zug,
Wünschte Falkenflügel,
Hätt´ den Wagen gern gelenkt
Mit den Sonnenpferden:
Heut mein Auge still sich senkt.
Abend will es werden.
Aus des Waldes Dämmerung
Zieht´s heran in Paaren;
Knaben, Dirnen schlank und jung
Mit bekränzten Haaren.
Junges Glück und Liebesleid
Künden die Geberden.
Alles schau´ ich ohne Neid,
Abend will es werden.
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Vorschaubild: Rita Dadder
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