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Strandgut
Ein Inseltagebuch

Berndt Seite

Die Ostsee ist ein Sehnsuchtsort, an dem man seine Gedanken mit dem Meer schweifen lassen kann. Beim Anblick der Wellenbewegungen kommen Erinnerungen an das Auf und Ab des Lebens auf. In eindrucks- und stimmungsvollen Bildern beschreibt Berndt Seite in seinem Tagebuch philosophische Reflexionen in Rückblick auf sein privates und poltisches Leben. Das raue und derbe Klima der Ostsee, die verschiedenen Jahreszeiten am Meer haben dabei ihren ganz eigenen Charme und helfen ihm, alte Dinge abzustreifen und wieder zu sich selbst zu finden.

Der Vielsorten-Apfelbaum von Göllnitz

Der Vielsorten-Apfelbaum von Göllnitz

Dr. Claus Baumgart

"Göllnitz liegt links an der alten Straße, welche von Gera nach Altenburg führt, und kann daher, da diese Straße kürzere Linien beschreibt, als die Kunststraße, von Reisenden bey gutem Wege ohne allen Zeitverlust besucht werden." Mit dieser Wegbeschreibung ausgerüstet, konnte sich der Fachmann oder interessierte Laie aufmachen, um den wunderbaren Apfelbaum im Garten des Pfarrers Agricola im kleinen Dörfchen Göllnitz zu besuchen. Dieses 1818 vielbeschriebene Gewächs sorgte dafür, dass Göllnitz (und manchmal wurde auch Altenburg erwähnt) fast weltbekannt wurde.

Pfarrer Ludwig Friedrich August Agricola, "ein geschickter und glücklicher Pomologe", hatte auf einen 1742 gepflanzten Apelbaum "nach und nach 300 Sorten darauf gepfropft". Die sorgsam gepflegte Seltenheit war so eindrucksvoll, dass sie "in den Jahren des Krieges von den rohesten Schaaren verschont und selbst mit Ehrfurcht behandelt worden ist". Kein Wunder, denn "die Mischung der Farben und Gestalten der Früchte, wie neben dem weißen Calville der kleine pomme d'apis, neben dem rothen Stettiner der Goldpeppin reifte, gaben einen reizenden Anblick …" Die Offziere, ob Freund oder Feind, erteilten Befehl, "nur zu sehen, nicht aber zu nehmen". So geschehen um 1813.

In den "Annalen der Obstkunde, herausgegeben von der Altenburgischen pomologischen Gesellschaft" von 1825 befindet sich ein langer Aufsatz Agricolas, in dem er seinen Werdegang als Obstbaum-, speziell Apfelbaumspezialist etwas umständlich schildert. Der Apfelkundler war Mitglied und Bibliothekar in der Altenburgischen pomologischen Gesellschaft, auswärtiges Mitglied der naturforschenden Gesellschaft des Osterlandes und Ehrenmitglied des Vereines des Gartenbaues in Preußen. Bereits in jungen Jahren beschäftigte er sich unter Anleitung des Vaters im Pfarrgarten. Als er dann später die Pfarrei übernahm, gehörte der Garten dazu.

Agricola baute sich ein umfangreiches Netzwerk im In- und Ausland auf. Dadurch erhielt er allein im Jahr 1800 über 100 Apfelsorten. Über seine Zuchterfolge durften sich auch die Obstpflanzer der Umgebung freuen, die er "mit kraftvollen Bäumen neuer Sorten … versehen konnte".

Überaus stolz war der Apfel-Pfarrer über die Anerkennung, die ihm und seinem Baum widerfuhr. Im "Allgemeinen teutschen Garten-Magazin" von 1818 berichtete der Hofrat Carl Sturm von seiner Reise Anfang September des Jahres im Auftrag des Großherzogs von Weimar, in Begleitung des Kupferstechers Theodor Götz, nach Göllnitz. Sturm, ein anerkannter Landwirtschaftsfachmann, listete für seine Dienstherrn die Apfelsorten auf und brachte einige Beispielfrüchte an den Hof. Auch die Herzogin von Sachsen-Gotha-Altenburg, Charlotte Amalie, schickte ihren Hofmarschall, um von einem Augenzeugen unterrichtet werden zu können.

Die pomologische Gesellschaft beauftragte den Altenburger Zeichenmeister Friedrich Sprenger, den Wunderbaum abzubilden.

1815 und 1816 gelang es Agricola, seinen Baum vor gefräßigen Raupen zu schützen. Auch den Orkan vom 8. Juli 1819 überstand der weitverzweigte Apfelspender dank einiger Jahre zuvor angebrachten Stützen. Agricola starb 1828 und sein vielbeachtetes Gewächs ist wohl 1870/71 erfroren.

Doch nicht nur in Deutschland wurde über den Apfelbaum berichtet. Eine der ersten Beschreibungen soll im „Russkij Invalid“ erschienen sein, vielleicht, weil russische Soldaten diesen Baum gesehen hatten. Mehrere deutsche Zeitungen veröffentlichten Artikel, sogar mit Wegbeschreibung.

Die Kunde von der pomologischen Kuriosität drang bis Schottland zum „Caledonian Mercury“ in Edinburgh und stand am 17. August 1818 im Blatt. Die Redakteure hatten vermutlich vom „London Chronicle“ vom 14. August abgeschrieben und dabei einen Text des „Amsterdam Courant“ vom 8. August benutzt.

Um so weiter entfernt, desto fehlerhafter wurden die Nachrichten über den Wunderbaum. 1833 erschien ein Artikel in „The Globe“ in Washington über „Mr Argule Golnitz“, der in Altenburg einen Apfelbaum mit über 300 Sorten aufgezogen hätte. Und diesmal beriefen sich die Verfasser auf den „Baltimore American“.

Er lebte auch in der Fachliteratur weiter, so in: Carl Friedrich Förster: Die Impfungen, der Triumph der künstlichen Pflanzen-Vermehrung: populär-wissenschaftliche Zusammenstellung sämmtlicher sogenannter Veredelungsweisen; ein Leit- und Lehrbuch für Gärtner, Baumzüchter, Landwirthe und überhaupt Alle, welche den wichtigen Einfluß der Pflanzenpropagation auf die Industrie nach dem gegenwärtigen Standpuncte zu ihrem Vortheil ausbeuten wollen. 1861, S. 28; Der Obstbaum-Freund von 1830, S. 344-346.

Im Internet erinnern Apfelzüchter immer wieder an den Vielsorten-Baum (http://www.bund-lemgo.de/download/82_Sortenbaum_int.pdf;

https://forum.garten-pur.de/index.php?topic=30405.0).

Und so tauchen Göllnitz , der Apfelbaum und Pfarrer Agricola bis heute in der Presse auf (Rhein-Zeitung, Wiesbadener Tagblatt, Leipziger Volkszeitung usw.).

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Vorschaubild: Ansicht des großen Apfelbaumes aus gemeinnützige Beiträge für alle Theile des praktischen Gartenwesens, 1818, gemeinfrei

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